« Wo jedes Gramm zählt »
Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff ist ein recht neues Material. Es wird aus verwebten Kohlenstofffasern hergestellt, die mit einem Harz verstärkt werden. Kohlenstofffasern sind extrem reißfest und können so Strukturen mit einer enormen Festigkeit herstellen. Gleichzeitig hat Kohlenstoff ein extrem geringes Gewicht. CFK ist daher schon längst auch für das Fahrrad entdeckt worden. Doch der Hochleistungs-Werkstoff hat auch seine Tücken.
High-Tech Material für hohe Ansprüche
Der erste Vorteil von Kohlefasern ist ihre niedrige Dichte. Kohlenstoff steht an sechster Stelle im Periodensystem. Damit zählt das Element zu den leichtesten Feststoffen, die es gibt. Das charakteristische an Kohlenstoff liegt in seiner atomaren Struktur: Kohlenstoff-Atome bilden sechseckige Ringe. Das Sechseck-Molekül ist wiederum eine ungewöhnlich vielseitige Form, aus der sich zahlreiche weitere Geometrien bilden lassen. Dazu braucht man sich nur mal einen klassischen Fußball anzusehen.
Tatsächlich gibt es auch kugelförmige Kohlenstoff-Moleküle, die sogenannten „Fullerene“. Die Erscheinungsformen von Kohlenstoff sind vielfältig: schwarze Anthrazit-Kohle, Kugel- oder Blattgraphit und selbst superharte und wunderschöne Diamanten sind in ihrer atomaren Struktur nichts weiter als die bekannten Kohlenstoff-Sechsecke. Der Forschung ist sogar schon die Bildung von Röhrchen und einzelnen Lagen aus Kohlenstoff gelungen. Deren technische Umsetzung und wirtschaftliche Nutzbarmachung steht kurz bevor.
Bis die neuen Supermaterialien jedoch verfügbar sind, muss man noch mit den „klassischen“ Kohlefasern vorlieb nehmen. Doch die haben es ebenfalls in sich: Die Fasern haben eine fünf Mal höhere Zugfestigkeit als Stahl. Leider hat das Material einen großen Nachteil: So sehr es sich einem reißen widersetzt, so schnell gibt es bei einer schlagartigen Querbelastung auf. Kohlefasern vertragen keine seitlichen Schläge. Dann splittern und brechen sie sehr schnell.
Herausforderung Fahrradrahmen
Diese widersprüchlichen Eigenschaften machen die Entwicklung von einem Carbon Fahrrad – wie es fälschlicherweise hauptsächlich bezeichnet wird – zu einer großen Herausforderung. Dabei spielen auch ästhetische Merkmale eine große Rolle.
Das schwarz glänzende Karbon-Gewebe hat zwar sehr viele (Rad-)Freunde. Jedoch sind Carbon-Rahmen (eigentlich Rahmen aus Kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff) idealerweise sehr flach. Am Computer entworfene Versuchsrahmen hatten zwar sehr interessante technische Eigenschaften. Jedoch stieß das daraus resultierende Design bei vielen Testkunden auf Skepsis.
Die Entwickler der CFK Fahrradrahmen versuchen daher seither einen Kompromiss aus klassischem Design und bestmöglicher Ausnutzung der technischen Eigenschaften des Werkstoffs.
Dennoch bleibt beim Carbon Fahrrad ein großes Problem: Das CFK Fahrrad wird zwar extrem leicht – im Fall eines Sturzes zerbricht der Fahrradrahmen jedoch schnell und bildet dabei scharfe Splitter. Neben den Verletzungen durch den Sturz wird damit auch das Fahrrad selbst zu einem Risiko.
Teuer, empfindlich, nicht reparierbar…
Die Nachteile der bislang entwickelten CFK Fahrradrahmen hören beim Bruchverhalten leider nicht auf. CFK ist zwar ein Wundermaterial, das sich eigentlich ideal zum Bau von Rahmen eignet. Jedoch ist der Werkstoff sehr teuer. Einmal ausgehärtet, ist das Material nicht sehr widerstandsfähig gegen Kratzer. Der schöne mattschwarze Rahmen wird recht schnell stumpf.
Und wenn auch nur das kleinste Bauteil an ihm abbricht – der Carbon Rahmen kann nicht repariert werden. Die Idee, ein komplettes CFK Fahrrad herzustellen, ist deshalb vorwiegend dem professionellen Rennsport vorbehalten.
Sinnvoll einsetzen
Anstatt unbedingt das komplette Rad aus Kohlefasern herzustellen, gehen die Designer einen anderen Weg: So viel Karbonfaser wie nötig ist die bessere Devise. An Stellen, wo Druckkräfte auftreten wird kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff durch traditionelle Werkstoffe ersetzt. Tretlager und Lenkkopflager müssen häufig harte Stöße aushalten. Hier ein preiswertes, robustes wie bewährtes Material einzusetzen ist wesentlich sinnvoller, als der „Karbon ist die Zukunft“ Philosophie zu folgen. Dort aber, wo definitiv Zug- und Biegespannungen am Fahrradrahmen auftreten, kann kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff zeigen, was er kann:
Gabeln und Holme aus Kohlefasern können am Carbon Fahrrad für die erwünschte Reduktion von Gewicht und Steigerung der Stabilität sorgen. Dort aber, wo gänzlich andere Lastfälle auftreten, bleibt es beim klassischen Stahl oder Aluminium.
Und plötzlich ist alles möglich
Man hat im Fahrradbau definitiv verstanden. Die Kohlefasern sind ein tolles Material mit faszinierenden Eigenschaften. Mit seinem intelligenten Einsatz können nun auch Fahrradrahmen von Typen entwickelt werden, an die man in dieser Branche wohl als letztes gedacht hat: Hart beanspruchte Mountainbikes stehen an sich im Widerspruch zum zerbrechlichen Kompositwerkstoff.
Mit einem intelligenten Materialmix werden die immer noch sündhaft teuren Rahmen auch bei Downhill-Rennen jedoch nicht zu einem Einwegartikel.
Herstellung von einem CFK Fahrrad
Einer der Gründe für die hohen Preise der CFK Fahrräder ist ihre aufwändige Fertigung. Können Stahl- und Aluminium-Fahrräder größtenteils automatisiert gefertigt werden, geht beim Fahrrad aus Kohlefasern kein Weg an der Handarbeit vorbei.
Die Fahrradrahmen werden präzise am Computer entwickelt. Neben der endgültigen Form muss dabei auch die Herstellbarkeit berücksichtig werden. Denn ein Carbon Rahmen wird schichtweise um einem Kern herum aufgebaut. Dieser Kern gibt die Form des Rahmens vor. Die Herausforderung ist es, bei der Entwicklung den Kern so zu gestalten, dass er nach der Umwicklung wieder entfernt werden kann. Dabei darf er den CFK Fahrradrahmen aber keinesfalls zerstören.
Selbst versuchen durch Halbzeuge vom Handel
Rund um den Werkstoff Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff hat sich mittlerweile eine richtige Fangemeinde gebildet. Diese Schwarmintelligenz forscht und testet die Möglichkeiten des Materials permanent weiter aus. Ein beliebter Gegenstand für fortgeschrittene Laminierer ist tatsächlich das CFK Fahrrad. Das Internet bietet zahlreiche Baupläne zum kostenlosen Download, bei dem ehrgeizige Heimwerker sich ihren Traum vom eigenen Fahrradrahmen aus Kohlefasern selbst erfüllen können.
Dies ist allerdings alles andere als ein Wochenendprojekt. Es erfordert einiges an Erfahrung, Geduld und auch Mut zum vorübergehenden Scheitern, um sich diesen Traum erfüllen zu können. Wenn aber dann die ersten Meter auf dem selbst hergestelltem, superleichten und hochstabilen Rad gefahren werden, sind die Stunden im Keller vergessen. Die Fasern lassen sie das Zweirad in einer ganz neuen Dimension erleben.
Der Handel bietet alles an, was dazu nötig ist: Harze, Matten, fertige Profile in Form von CFK-Rohren, Platten sowie Werkzeuge aller Art. Kohlefasern sind erstaunlich einfach zu verarbeiten. Jedoch ist das Tragen von einem Mundschutz empfohlen. Nicht nur die Dämpfe von Kunstharz sind bedenklich. Auch die Stäube, die beim Sägen und Schleifen entstehen, können unangenehm sein. Doch mit dem Einhalten der Maßnahmen für den persönlichen Schutz kann die Arbeit zu ganz erstaunlichen Ergebnissen führen und ist absolut ungefährlich.